Werweisen statt informieren

Photo by Andrea Piacquadio, Pexels

Am 18. Januar kündigte Gesundheitsminister Alain Berstet Lockerungen bei den Pandemie-Massnahmen an. So stehe beispielsweise die Homeoffice-Pflicht, das Zertifikat oder die Quarantäne zur Diskussion. Definitiv entscheiden werde der Bundesrat an der ordentlichen Sitzung vom 2. Februar.

Seit Bersets Verlautbarung werden die Medien nicht müde, darüber zu spekulieren, welche Massnahmen jetzt genau gelockert oder gar aufgehoben werden könnten. Selbst das der Qualität verpflichtete Schweizer Werbefernsehen berichtete in einer munteren Live-Plauderei mit Bundeshausredaktorin Mirjam Spreiter über das, was sein könnte.

Im Beitrag werden kaum Fakten genannt, es ist nur die Rede davon, was sein könnte. Es ist ja auch gar nicht möglich, da der Bundesrat zum Zeitpunkt der Ausstrahlung noch gar nicht beraten hat.

Spekulation oder nicht?

Die Reporterin auf Twitter darauf angesprochen, was denn der journalistische Mehrwert sei, darüber zu spekulieren, was beschlossen werden könnte statt erst dann zu berichten, was effektiv beschlossen wurde, antwortete Frau Spreiter: «Ich denke, es ist mehr als Spekulation, wenn wir darlegen, welchen Fahrplan Alain Berset für mögliche Lockerungen skizziert hat.» Da mich die Antwort nicht zufrieden stellte hakte ich qualitätsjournalistisch nach dem Wozu nach, worauf die SRF-Journalistin meinte: «Wir gehen davon aus, dass es einen Teil unserer Zuschauer:innen interessiert, wie es weiter gehen könnte.»

Da ist dieses «könnte» schon wieder. Und am Schluss ist dann halt doch alles Spekulation.

Nutzlose Ratespiele

Meine Frage bleibt. Ist es journalistische Qualitätsarbeit, ein paar Tage vorher darüber zu sinnieren, was passieren könnte? Notabene, wenn die echten Fakten nur wenige Tage später tatsächlich folgen werden? Zudem sind die aktuellen Covid-Massnahmen nachweislich für viele Menschen bereits so schon verwirrend genug. Da ist es nicht hilfreich, wenn das offizielle Staatsmedium die allgemeine Verunsicherung durch Werweisen zusätzlich befeuert.

Das hier breitgetrene Beispiel ist sicher nicht das Beste zu diesem Thema. Zumal es durchaus erwähnenswert ist, wenn ein Bundesrat etwas ankündigt. Über mehr als drei informierende Sätze darf es dann aber nicht hinaus gehen. Leider ist diese Form von Oraklerei heute bei Journalisten allgemein beliebt. Immer wieder wird im Voraus zu Bundesratssitzungen oder anderen Events im Voraus voller Elan fabuliert, was geschehen könnte. Für den News konsumierenden Menschen ist das in den allermeisten Fällen ziemlich nutzlos. Aber wer weiss, vielleicht ist es für die Wahl zum Journalisten des Jahres relevant, wie oft man in den vergangenen 12 Monaten richtig geraten hat.

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