Als Nathalie Wappler die Stelle als Fernseh-Direktorin antrat, war eines ihrer Ziele, das Schweizer Fernsehen noch stärker von den Privaten zu unterscheiden. Das ist eine Idee, der ich sehr viel abgewinnen kann. Denn bei den (hauptsächlich deutschen) Privatstationen gibt es seit Längerem nur billigen Klamauk, Boulevard und die permanente Rezyklierung der selbstgezüchteten C-Promies in gefühlt wöchentlich neuen Blödel-Shows.
Da eine Unterscheidung hinzukriegen, dürfte nicht all zu schwierig sein. Insbesondere dann nicht, wenn man sich immer mal wieder mit stimmungsvollen Image-Spots selbst in den Olymp der Qualitätsjournalistik lobt. Umso unverständlicher ist es aber, wenn die öffentlich finanzierte Qualitätsfernsehanstalt immer wieder verschiedene Formate von den Privaten übernimmt und meist mehr schlecht als recht adaptiert. Schlecht Kopieren statt eigene Ideen entwickeln – darf das ein Qualitätshaus, oder würde sich ein der Qualität verpflichteter Sender nicht besser dadurch auszeichnen, eigene Konzepte zu entwickeln?
Nun, vielleicht war man aber auch einfach dazu gezwungen. Denn offenbar scheint diese seichte Art der Unterhaltung sein Publikum zu finden. Das Schweizer Fernsehen brauch ja auch dringend Publikum. Ganz besonders junges Publikum. Darauf richtet sich nun auch die neue Strategie «SRF 2024» aus. Die Jagd auf die U45er.
Mehr gebührenfinanzierte Instagram-Clownerien
Diese will man auf Instagram und Youtube finden. Deshalb werden für diese Kanäle extra mehr Inhalte produziert. Auf Kosten des linearen Angebotes. So wird zum Beispiel ab Mitte 2021 das Wirtschaftsmagazin «Eco» aus dem Programm gestrichen und durch einen wöchentlichen Talk ersetzt. Eine fatale Entscheidung, wie ich finde. «Eco» war das einzige reine Wirtschaftsformat im Programm. Eine wöchentliche Plauderei kann das nicht ersetzen.
Generell mehr Inhalte online zu publizieren, ist richtig. Falsch finde ich jedoch, wenn man verzweifelt in den sozialen Medien nach Publikum sucht, welches vom SRF vielleicht gar nicht gefunden werden möchte. Ich sehe auch keinen Sinn dahinter, junges Publikum mit noch mehr semi-lustiger Comedy auf Instagram zu ködern. Es ist nicht davon auszugehen, dass die dann deswegen plötzlich die «Tagesschau», die «Rundschau» oder «Sternstunde Philosophie» gucken oder richtige News aus der App beziehen. Dieser Schuss geht nach hinten los.
Ausserdem unterliegen die meisten TV-Stationen dem grandiosen Irrtum, dass für die sozialen Medien zurechtgemachte Beiträge ebenso verwackelt und nervös daherkommen müssen, wie die von den normalen Nutzern erstellten Beiträgen. Von professionellen Kameramenschen produzierte Wackelbilder, die aussehen, als ob sie ein Laie mit dem Smartphone gefilmt hätte, will niemand sehen.
Die älteren werden vergrault
Zudem ist es gefährlich, einen immer stärkeren Fokus auf jüngeres Publikum zu legen und dies mit dem Konzessionsauftrag zu begründen. Es dürfte mehr an den Inhalten als an den Formaten liegen, weshalb jüngere kein SRF konsumieren. Das Interesse an den Inhalten wird sich aber früher oder später auch bei den jüngeren einstellen. Dann ist es wichtig, dass es einen Sender gibt, der News und Information seriös und ohne Clownereien und aufgesetzter Coolness liefert. Etablierte Sendungen wie die «Tagesschau» müssen nicht für die Jugend optimiert werden. Im Gegenteil. Es besteht die Gefahr, dass das ältere Stammpublikum nicht nur langsam wegstirbt, sondern dass sich die Ü45er mehr und mehr abwenden, weil man sich nicht mehr willkommen weil zu alt fühlt.
Das Schweizer Fernsehen sollte sich an seine Kernkompetenzen halten, so, wie sie es im Imagespot bewerben. Es ist nicht nötig, zwanghaft hipp sein zu wollen. Seriöse Berichterstattung und Information ist halt manchmal trocken und langweilig. Nur wenige TV-Stationen schaffen den Spagat zwischen trendigem Auftreten und glaubhafter Ernsthaftigkeit. SRF wird nicht dazugehören. Es ist auch nicht notwendig. Die Corona-Kriese hat es eindrücklich gezeigt. Sobald es für die Menschen, egal welchen Alters, wirklich relevant wird, vertraut man auf etablierte Medien wie dem SRF in seiner bestehenden Form. Diesen Status darf das Haus am Leutschenbach auf keinen Fall verlieren.
Schreib einen Kommentar