Noch immer gelten Serien offenbar als der absolute heisse Scheiss der Zeit. Serien wuchern wie Unkraut aus allen Ritzen der Studiowände. Auf der Strecke bleiben – so ist zumindest meine persönliche Wahrnemung – gute Spielfilme.
Serien böten einen grossen Vorteil gegenüber einem Spielfilm. Es bestünde die Möglichkeit, die einzelnen Figuren viel tiefgründiger darzustellen und ihre Motivationen und Gefühlslagen detaillierter herauszuarbeiten. Nur leider geschieht dies all zu oft mehr schlecht als recht.
Charakterlicher Tiefgang muss der Story dienlich sein
Meine erste Serie auf Netflix war «Lost». Dort bemühte man sich grundsätzlich des Stilmittels der Rückblende, um mehr über die einzelnen Gestrandeten zu zeigen. Ich hasse Rückblenden. Und schon bald begann ich, diese Flashbacks zu überspuhlen. Nicht nur, weil ich sie hasste, sondern hauptsächlich weil sie überhaupt genau gar keinen Beitrag zur Weiterführung der Story leisteten. Und dort liegt der Hund begraben. Es ist wirklich selten nützlich, Zeug über einen Protagonisten zu erfahren, welches nichts mit dem Plot zu tun hat und den Zuschauer in der Story nicht weiterbringt.
Dem gegenüber stehen wiederum fehlende Aspekte der Figurenentwicklung. Schön zu beobachten war das beim Schweizerischen Synchronisationsdesaster «Helvetica». Eine Putzfrau im Bundeshau gerät in eine Verschwörung und von einer Sekunde zur anderen wird sie von der einfachen Putze zu einer professionell agierenden Topagentin, dass selbst James Bond vor Ehrfurcht erstarren würde. Wie sich die Reinigungsfachkraft die Verschlagenheit ihres Agierens angeeignet hat, wird nicht gezeigt oder erklärt. Dabei hätte doch gerade das Format der Serie hier Raum geboten, diese Entwicklung aufzuzeigen.
Auflösungen zu oft zu normal
Stattdessen lassen sich die Serien-Autoren dazu verleiten, den ihnen gegebenen Raum mit immer neuen Problemen zu füllen, mit denen sich die Figuren dann herumschlagen müssen. So geschehen in «Ozark». Mit jedem Problem, welches der olle Buchhalter löst, schafft er zwei neue. Die Figuren latschen von einer Scheisse in die nächste. Die einzelnen Lösungen dabei sind selten spektuakulär, überraschend oder sonst irgendwie interessant. Ich verlor die Geduld.
Ähnlich verlief es bei «Orphan Black». Die Verschachtelungen der Handlungsstränge wurde immer komplexer und ich fragte mich schon früh, wie die Autoren es je schaffen wollen, das ganze Kuddelmuddel irgendwie schlüssig aufzulösen. Das Resultat war dann auch entsprechend unbefriedigend. Jedoch besser als bei «Lost». Während sechs Staffeln wurde Rätsel um Rätsel aufgebaut, ohne je wirklich eine Antwort zu liefern. Bis den Schreibern am Schluss dann offenbar die Puste ausging und sie das Ding irgendwie zu Ende bringen mussten. Es war mehr als nur unbefriedigend.
Wirklich grosse Zweifel begannen mich während dem Bingen von «Scandal» zu plagen. Eigentlich fasziniert von der Tagline stellte sich irgend wann Langeweile ein, weil die Truppe um Olivia Pope stets gleichgeartete Fälle zu lösen hatte, die deshalb bald an Brisanz und wirklichem Interesse verloren. Ausserdem wurde die Beziehung zwischen Olivia und ihrem präsidialen Lover so unendlich mühsam ausgewallt und verschleppt, dass man den beiden irgendwann nur noch alles Schlechte wünschte. Mir kam der Gedanke, dass man bei «Scandal» einfach mal eine Serie schreiben wollte, ohne wirklich Stoff für soviel Sendezeit zu haben.
Hauptsache eine Serie
Dieser Gedanke manifestierte sich dann endültig bei «Hanna». Diese Serie ist der wohl unglückliche Versuch, aus einem schon nicht überzeugenden Film («Wer ist Hanna») mit einer zu konstruierten Geschichte eine Episodenserie zu basteln. Ich stehe zwar erst kurz vor Ende der ersten von zwei Staffeln und mag vorschnell urteilen. Die zum Teil extrem in die Länge gezogenen Null-Szenen aber lassen vermuten, dass hier viel zu viel Füllmaterial verwendet wird, um überhaupt an die Länge einer Serie heranzukommen.
Serien zu schreiben, damit man einfach eine Serie hat, ist der falsche Ansatz. Irgendwann wird das Publikum dieses Tun mit Desinteresse bestrafen. Es ist schon nicht einfach, einen packenden Spielfilm von 100 oder 120 Minuten zu schreiben. Eine Serie mit der x-fachen Laufzeit mit genügend Stoff zu füllen, erst recht nicht.
Persönlich würde ich es vorziehen, man würde dem Format Spielfilm wieder mehr Aufmerksamkeit schenken und sich insbesondere auch wieder mehr Mühe bei der Erzählung der Geschichten geben. Dafür dürfte man beim Einsatz von Special Effects und sterilen Greenbox-Inszenierungen mehr Zurückhaltung walten lassen. Hierbei könnte insbesondere der Verzicht auf Märli- und Superhelden-Movies helfen. Denn er erzählerisch relevante Inhalt der meisten Serien hätte problemlos in einem anständigen Spielfilm Platz.
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